„Das Denken gehört zu den größten
Vergnügungen der menschlichen Rasse.“
Bertolt Brecht
Liebe Interessierte, Freundinnen und Freunde der Marxistischen Abendschule Bremen,
das Veranstaltungsprogramm für 2022 / 2023 ist in Arbeit. Auf der Seitenleiste findet ihr die bisher vorbereiteten Vorträge und Veranstaltungen. Wir bitten, das nächstliegende Datum aufzusuchen.
Wir veröffentlichen schrittweise geplante Veranstaltungen und bitten, wiederholt auf dieser Website die aktuelle Planung nachzusehen. Zusätzlich setzen wir die Versendung des Rundbriefes (Newsletters) per E-mail fort.
Eure MASCH-Bremen
Heinrich Hannover (1925-2023)
Die MASCH Bremen dankt Heinrich Hannover für seine jahrzehntelange Verbundenheit und Referententätigkeit. Sein vorbildliches Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie in der Bundesrepublik sind ein Ansporn für unsere weitere Arbeit.
Heinrich Hannover wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen in der vorpommerschen Kreisstadt Anklam auf und wurde als jugendlicher Gymnasiast im deutschen Faschismus groß. Mit 17 Jahren wurde er 1943 Soldat und kehrte als überzeugter Pazifist und Antimilitarist aus dem Krieg zurück, ähnlich wie es dem Worpsweder Künstler Heinrich Vogeler nach dem Ende des 1.Weltkrieges ergangen war. Aus dieser Erfahrung heraus hat der studierte Jurist und Strafverteidiger Hannover das Friedensgebot des Grundgesetzes (Präambel: „dem Frieden der Welt zu dienen“) ernstgenommen und die Friedensbewegungen in der alten Bundesrepublik juristisch und politisch unterstützt. Die Schwerpunkte seiner friedenspolitischen Aktivität spiegeln die unterschiedlichen Kampfzyklen der Nachkriegsgeschichte wider: Düsseldorfer Friedenskomitee-Prozess 1959/60, der Kampf gegen die Notstandsgesetze (1958-1968), der Vietnam-Krieg (1965-1973), Aktionen der Friedensbewegung der 1980er Jahre („Krefelder Appell“) bis zu den diversen Beteiligungen der Bundeswehr an Kriegen der NATO (Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Mali, etc.) und der Gegenwart des Ukraine-Krieges (nun schon im vereinigten Deutschland). Seine glasklare Sprache, seine logisch stringente Gedankenführung, zudem historisch gesättigt und auf den Punkt gebracht, haben dazu beigetragen, dass er als Referent der MASCH Bremen seit den 1970er Jahren von Vielen außerordentlich geschätzt wurde. Zuletzt hat er das 2017 in der Villa Ichon für ein MASCH Publikum mustergültig vorgeführt am Beispiel von Emil Julius Gumbel, dem Pazifisten, Antifaschisten und Exilierten, mit dem er und seine Familie 1963 einen gemeinsamen Schwarzwald-Urlaub verbracht hatten.
Die Lehren aus der deutschen Vergangenheit verbinden das Motto „Nie wieder Krieg“ mit dem untrennbar damit verbundenen Motto „Nie wieder Faschismus“, eine Erkenntnis, die aktuell in Vergessenheit zu geraten droht. Heinrich Hannover hatte nach der Eröffnung seiner Kanzlei in Bremen 1954 die ehemaligen Nazi-Richter und -Staatsanwälte vor Ort erlebt, als er Mandate für junge FDJ-Mitglieder und kommunistische Widerstandskämpfer nach dem KPD-Verbot 1956 übernommen hatte. Ihm war klar, dass der Antikommunismus als Grundtorheit unserer Epoche (so Thomas Mann) in der Adenauer-Ära zur Ausgrenzung und „Diffamierung der politischen Opposition“ insgesamt führen würde, so der Titel eines seiner ersten Bücher aus dem Jahr 1962. Dabei war seine „Linkswendung“ zunächst gar nicht beabsichtigt, wie er 1978 rückblickend schrieb, sondern erst durch eine Pflichtverteidigung vor dem Bremer Landgericht geradezu erzwungen – und zwar „zu beruflichem Engagement für Menschen, deren Behandlung durch Polizei und Justiz mich empörte“. Prominente Beispiele waren u.a. die Verteidigung des Bremer Kommunisten Willy Meyer-Buer, das Mandat für Ulrike Meinhof, das er allerdings wegen seines Festhaltens am Prinzip der Gewaltlosigkeit niederlegte oder der Prozess gegen Wolfgang Otto vor dem Krefelder Landgericht, ein NS-Gewaltverbrecher, beteiligt am bis dahin ungesühnten Mord an dem KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann im KZ Buchenwald 1944. Eine der „Reden vor Gericht“ hat er vor mehr als einem Jahrzehnt als Zeitzeugen-Dokument (Tonbandaufnahme) der MASCH Bremen vorgestellt und interpretiert – alle Beispiele dieses 2010 im Kölner Papyrossa Verlag erschienenen Bandes sind für den aktuellen historisch-sozialkundlichen Unterricht zur Nachkriegsgeschichte und zur Verknüpfung von Recht und Politik sehr geeignet.
Sein Beruf als Anwalt und sein demokratisches Engagement haben ihn geradezu prädestiniert, sich als politischer Schriftsteller und Redner zu betätigen. Das ist ihm z.B. glänzend gelungen in den beiden Bänden „Republik vor Gericht“ (Aufbau-Verlag), die wie ein alternatives Geschichtsbuch zur Entwicklung der alten Bundesrepublik und ihren sozialen Bewegungen gelesen werden kann. Dass er über mehr als dieses fachlich-juristische und historisch-politische Talent verfügte, zeigte er seit den 1970er Jahren als Kinderbuch-Bestseller-Autor, so etwa mit „Mücke Pieks“, „Das Pferd Huppdiwupp“ oder „Der müde Polizist“. Diese liebevollen Geschichten, zuerst seinen Kindern als Gute-Nacht-Geschichten präsentiert, offenbarten den phantasiebegabten Erzähler, der am Feierabend den humanen Gegenentwurf zur rauhen juristischen Alltagspraxis zu leben versuchte.