Die Zukunft des Kommunismus – Fragen an das Werk von Domenico Losurdo
Christel Buchinger, Medelsheim
Unsere westliche Welt, die daran gewöhnt war, als Maßstab für Entwicklung, Modernität, Zukunft und Wohlstand zu gelten, muss zur Kenntnis nehmen, dass sie nicht mehr als Inbegriff des Fortschritts gilt, dass die Musik zunehmend woanders spielt. Die sog. multipolare Welt rund um BRICS und die Shanghai-Organisation entwickelt sich rasant; eine neue Welle der Dekolonialisierung zeigt sich und der sog. Westen stagniert nicht nur in ökonomischer Hinsicht, sondern auch in Hinblick auf Bildung, Kultur, Infrastruktur und politischer Demokratie. Die Linke im Westen oder das, was von ihr noch übrig ist, befindet sich ebenso in Stagnation, wenn nicht Erstarrung und Siechtum und ist nicht in der Lage von den aufstrebenden und kämpfenden Völkern zu lernen oder sich inspirieren zu lassen. Schlimmer noch! Die Linke, inklusive der Kommunisten, scheint – ungeachtet der Tatsache, dass sie in ihren eigenen Ländern kaum noch eine Rolle spielt, sich die Haltung des Wertewestens zumindest teilweise zu eigen gemacht zu haben und für alle Welt wissen zu wollen, was für diese das Beste ist. Wenn beispielsweise mit einer Träne im Knopfloch der Abfall Chinas vom Sozialismus beklagt wird, dann wird dieser Internationalismus als die Kehrseite der westlichen Bevormundung kenntlich. Ein Internationalismus, der es besser weiß als diejenigen, die seit fast 80 Jahren für den Fortschritt und den Sozialismus kämpfen, mit Rückschlägen, Fehlern, aber auch mit grandiosen Erfolgen. Dabei haben diejenigen, die es besser wissen wollen, solche Erfolge im Kampf um den Sozialismus nicht vorzuweisen, Fehler, Niederlagen und Rückschläge jedoch schon.
Domenico Losurdo hat sich eingehend und über einen längeren Zeitraum mit dem Zustand der Linken und den Gründen für ihren Niedergang beschäftigt. Welches sind die Gründe dafür? Wie kann die marxistische Linke, können die Kommunisten vor allem wieder Anschluss an die große Emanzipationsbewegung der Gegenwart finden? Dazu kann das Werk von Domenico Losurdo befragt werden, vor allem sein letztes Werk „Der Kommunismus – Geschichte, Erbe, Zukunft“, in dem er die Rolle der Utopie, des vernachlässigten liberalen Erbes, Messianismus und Rebellismus diskutiert.
Christel Buchinger, Kommunistin ohne Parteibuch, Gelegenheitsautorin, -übersetzerin und -lektorin sowie Hobbygärtnerin. Hat die letzten beiden bei PapyRossa veröffentlichten Werke von Domenico Losurdo übersetzt („Eine Welt ohne Krieg“ und „Der Kommunismus“) und eines lektoriert („Der westliche Marxismus). Sie lebt (wieder) im Saarland und einen kleineren Teil des Jahres in Italien.