Der politische Streik
Dr. Theresa Tschenker, Berlin
Zuletzt forderten die Klimaproteste und die Streiks der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in dem Bündnis mit Fridays for Future die Illegalisierung des sogenannten politischen Streiks heraus. Deutsche Gerichte bewerten den „politischen“ Streik als rechtswidrig, weil er nicht (nur) an den Arbeitgeber und auf den Abschluss von Tarifverhandlungen gerichtet sei. Eine kritische Betrachtung der Rechtsprechung ist angezeigt, denn staatliche Maßnahmen und Tarifpolitik bedingen sich als gestaltende Faktoren der Arbeitsbedingungen gegenseitig. Die restriktive Rechtsprechung gründet auf der juristischen Auseinandersetzung um den Zeitungsstreik aus dem Jahr 1952. Die juristische Debatte unmittelbar nach Inkrafttreten des Grundgesetzes war geprägt von konservativen Stimmen, die den Klassengegensatz negierten und gewerkschaftliche Einflussnahme auf staatliche Entscheidungen so gering wie möglich halten wollten.
Die Referentin argumentiert dafür, dass eine vom Tarifbezug unabhängige Begründung des Streikrechts möglich und der politische Streik aufgrund
völkerrechtsfreundlicher Auslegung des Grundgesetzes auch in Deutschland als rechtmäßig bewertet werden kann.
Theresa Tschenker, Studium der Rechtswissenschaften an der HU Berlin, Promotion an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, 1. + 2. Juristisches Examen, seit 2024 Rechtsanwältin in Berlin bei dka Rechtsanwälte Fachanwälte.
Veröffentlichung: Politischer Streik. Rechtsgeschichte und Dogmatik des Tarifbezugs und des Verbots des politischen Streiks, Berlin: Duncker & Humblot 2023.
Die Veranstaltung wird gemeinsam von MASCH-Bremen, Ver.di-Bremen und GEW-Bremen durchgeführt.