Der Gazakrieg und die regionale Neuordnung im Nahen Osten
Ivesa Lübben, Bremen
Seit den Revolutionen und Umwälzungen der arabischen Welt im sog. „Arabischen Frühling“ befindet sich die MENA-Region – der Nahe Osten und Nordafrika – in einem Prozess der regionalen Neuordnung, der durch Konkurrenz aufsteigender Regionalmächte und sich immer wieder neu formierender Allianzen und Frontlinien geprägt ist. Mit der Vermittlung der sogenannten Abraham-Abkommen – Friedensabkommen zwischen arabischen Staaten und Israel über die Köpfe der Palästinenser hinweg – versuchten die USA die Hegemonie in diesem Prozess, die ihr zeitweilig zu entgleiten drohte, zurückzugewinnen.
Israels genozidaler Krieg in Gaza hat dieses Kalkül (vorläufig?) zunichte gemacht. Auch wenn die Palästinenser weit härtere Gegenmaßnahmen gegen Israel durch die arabischen Länder erwartet haben, sind selbst die engsten Verbündeten Washingtons extrem verstört über die grenzenlose amerikanische Unterstützung Israels und versuchen sich aus der Rolle der reinen Befehlsempfänger Washingtons zu emanzipieren. Indizien sind die Weigerung Ägyptens, palästinensische Geflüchtete auf dem Sinai anzusiedeln, die Annäherung der Golfländer an den Iran, die Absage arabischer Länder an eine Beteiligung der Operation gegen Houthis oder die enge Koordination zwischen den arabischen Ländern und China in den UN-Gremien.
Wohin steuert die arabische Regionalordnung? Welche mittelfristigen Auswirkungen hat dies für die Neuverhandlung der Parameter eines möglichen israelisch-palästinensischen Friedensprozesses? Und welche Folgen hat dies für westliche Hegemonialansprüche?
Ivesa Lübben hat Politik- und Wirtschaftswissenschaften sowie Arabisch studiert. Sie war über 16 Jahre freie Journalistin und Autorin in Ägypten, war über 9 Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centrum für Nah- und Mitteloststudien der Universität Marburg und zuletzt Büroleiterin im Nordafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tunis. Sie ist Mitglied der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Bremen, der AK-Nahost Bremen sowie Gründungsmitglied und stellvertretende Vorsitzende des Bremer Syrischen Exilkulturvereins (SEKu).