75 Jahre Grundgesetz und Verfassungswirklichkeit
Dr. Rolf Gössner, Bremen
Ein Erinnerungsprojekt: Über die jahrzehntelange Tradition, Völkerrecht und Freiheitsrechte im ‚Namen von Freiheit und Sicherheit‘ auszuhöhlen
Das Grundgesetz befindet sich mittlerweile im siebten Jahrzehnt seines Bestehens. Dieses epochale Werk, um das uns viele in der Welt beneiden, ist eine historisch angemessene Konsequenz aus den leidvollen
Menschheitserfahrungen mit Faschismus und zwei verheerenden Weltkriegen – wenn auch von heute aus betrachtet mit anfänglichen Defiziten und später erfolgten Einschränkungen. Denken wir nur an die Notstandsgesetze, die Aushöhlung der Grundrechte auf Asyl und auf Unverletzlichkeit der Wohnung.
Das ist die eine Seite der Verfassungsrealität. Die andere handelt vom Auseinandertriften von Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit. Hier gilt es, dunkle und verdrängte Kapitel bundesdeutscher Rechtsgeschichte aufzuarbeiten, die die Qualität der Grund- und Freiheitsrechte von Zig-Tausenden von Menschen schwer beeinträchtigten: Denken wir etwa an die Kommunistenverfolgung der 1950/60er Jahre, die Berufsverbotspolitik der 1970er/80er Jahre, den „Deutschen Herbst“ und die Auswüchse und „Nebenwirkungen“ der westlichen staatlichen Antiterrorbekämpfung bis heute; oder denken wir an den Corona-Ausnahmezustand von 2020 ff., die Militarisierung von Staat und Gesellschaft nach der sog. Zeitenwende oder die mutmaßliche Beihilfe zu Kriegsverbrechen per Waffenlieferungen.
Statt einer Festrede zum 75. des Grundgesetzes beleuchtet Rolf Gössner anhand herausragender Ereignisse und (Struktur-)Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte schlaglichtartig die Schattenseiten der Verfassungswirklichkeit und zieht kritisch Bilanz: um daraus geeignete rechtspolitische Konsequenzen ziehen zu können und das Ringen um verfassungsgemäße Verhältnisse zu befördern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Spannungsverhältnis von „innerer Sicherheit“ und Freiheitsrechten.
Dr. Rolf Gössner ist Publizist und Jurist, arbeitete 40 Jahre als Anwalt und war stellv. Richter am Staatsgerichtshof Bremen. Er ist Kuratoriumsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte, Mithrsg. des jährlichen „Grundrechte-Report. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“ und der Zweiwochenschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft „Ossietzky“; Autor zahlreicher Bücher zu Demokratie, Innerer Sicherheit und Bürgerrechten, zuletzt: „Datenkraken im Öffentlichen Dienst“ (Köln 2021). Mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Hans-Litten-Preis der Vereinigung Demokratischer Jurist:innen (VDJ).
Veranstaltung in Kooperation mit dem Bremer Friedensforum.