Lenin – neu befragt. Aus Anlass des 100. Todestages von W.I. Lenin (1870-1924)

Wann

6. Februar 2024    
19:00

Wo

Villa Ichon
Goetheplatz 4, Bremen, 28203

Lenin – neu befragt. Aus Anlass des 100. Todestages von W.I. Lenin (1870-1924)

Dr. Gert Meyer, Marburg

Jenseits des düsteren aktuellen Kriegshorizonts wollen wir den Blick zurücklenken auf die Geschichte der russischen Arbeiterbewegung und die Rolle, die Lenin in ihr gespielt hat.

Wir beginnen mit einer kurzen Darstellung der Besonderheiten des russischen Kapitalismus, der, verstärkt seit Ende des 19. Jahrhunderts, in einigen Regionen des Zarenreichs zur Herausbildung einer neuen Klasse – des industriellen Proletariats – geführt hat. Seit den großen Petersburger Streikaktionen 1895 ist Lenin (Sohn eines in den erblichen Adelsstand erhobenen Schulinspektors im Gouvernement Simbirsk) als Organisator, Theoretiker und strategischer Denker der russischen Arbeiterbewegung bekannt geworden. Skizziert werden seine Kapitalismusanalyse (1900), seine – bereits damals Kontroversen auslösende – Parteikonzeption („Was tun?“), die Spaltung der russischen Sozialdemokratie (Bolschewiki versus Menschewiki) und die Haltung der Bolschewiki zur Kolonialfrage. Ein besonderes Augenmerk wird auf das heute wieder aktuelle Problem von Krieg und Frieden gelenkt: Russisch-japanischer Krieg 1904/05, Diskussion auf dem Stuttgarter Kongress der Zweiten Internationale 1907, Kriegsbeginn 1914, Zimmerwalder Bewegung 1915, Imperialismusschrift 1917, Antikriegspolitik im Revolutionsjahr. Dann wird gefragt, warum und wie die Bolschewiki, die Anfang 1917 nur eine kleine Minderheit darstellten, im Oktober die Sowjetmacht etablieren und im anschließenden Bürgerkrieg, auch gegen starke ausländische Interventionsmächte, verteidigen konnten. Schließlich: die große innenpolitische Wende vom „Kriegskommunismus“ zur „Neuen Ökonomischen Politik“ 1921, die neue Wege zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu eröffnen schien. Die letzten Schriften Lenins (u.a. sein „Testament“) schwankten zwischen Hoffnung, Zuversicht, Zweifeln und Befürchtungen. Sie stehen, wie auch andere politische Positionen Lenins, bis heute in der Diskussion. Wir wollen diese fortführen.

 

Gert Meyer ist Politikwissenschaftler und Historiker. Er arbeitet vor allem zur Geschichte und zum politischen und gesellschaftlichen  System der UdSSR und Russlands im 20. Jahrhundert.